In einem Kontinent, in dem die Bürokratie oft schneller agiert als Glasfaserkabel verlegt werden, und Innovation regelmäßig in juristischen Fußnoten versickert, versucht Europa sich ein Stück vom Kuchen im Bereich der künstlichen Intelligenz zu sichern. Während die USA und China mit dem Selbstbewusstsein digitaler Imperien voranstürmen, stolpert der alte Kontinent zwischen dem Traum digitaler Souveränität und einer Realität aus Fragmentierung und strukturellem Rückstand.

Und trotzdem: Es bewegt sich was. Eine neue Generation von Anbietern für KI-Inferenz tritt auf den Plan – mit dem Anspruch, sowohl die strengen europäischen Vorschriften zu erfüllen als auch mit den großen Playern aus Übersee konkurrieren zu können.

Scaleway zum Beispiel – ein Anbieter mit Sitz in Paris – bietet verwaltete Inferenzdienste mit Open-Source-Modellen auf vollständig europäischer Infrastruktur. Das Unternehmen positioniert sich als souveräne Alternative zur API-Welt von OpenAI, mit voller DSGVO-Konformität und Datenhaltung innerhalb Europas. Zu den Modellen gehören unter anderem Llama 3.1, Mistral-Nemo und Pixtral – optimiert auf hohe Leistung und geringe Latenz. Transparentes und vorhersehbares Pricing inklusive, ein rares Gut in einem Markt, in dem sich die Kosten oft unkontrolliert aufblähen.

Gcore, mit Sitz in Luxemburg, hat “Inference at the Edge” eingeführt – ein Dienst, bei dem KI-Modelle direkt am Netzwerkrand ausgeführt werden. Mit über 180 Knoten weltweit liefert Gcore Echtzeitleistung für Anwendungen wie Computer Vision und Verhaltensanalyse. Partnerschaften mit NVIDIA und der Einsatz von Graphcore-IPUs verstärken die europäische Muskelschau zusätzlich.

Aleph Alpha aus Heidelberg verfolgt derweil das Ziel, eine europäische KI-Infrastruktur völlig unabhängig von US-Einfluss aufzubauen. Die Luminous-Modelle des Unternehmens sind auf Transparenz und DSGVO-Konformität ausgelegt, mit besonderem Fokus auf Datenschutz. Ihr KI-Cluster gehört zu den leistungsfähigsten in Europa – ein deutliches Zeichen, dass echte Innovation auch abseits des Silicon Valley stattfinden kann.

Auch Frankreich mischt kräftig mit: Mistral AI hat satte 645 Millionen Dollar eingesammelt und nutzt Microsofts Infrastrukturpower, um seine Open-Source-Modelle zu skalieren. Die Zusammenarbeit mit Cerebras Systems brachte „Le Chat“ hervor – einen KI-Assistenten, der mit einer Rekordgeschwindigkeit von 1.000 Wörtern pro Sekunde antwortet. Damit spielt man leistungstechnisch in einer Liga mit OpenAI und DeepSeek – wenn nicht sogar darüber.

LightOn, ebenfalls aus Frankreich, bringt mit seinen Optical Processing Units (OPUs) frischen Wind in die Hardwarelandschaft. Photonik statt Silizium lautet die Devise – mit Integration in Supercomputer wie Jean Zay und einem erfolgreichen Börsengang zeigt LightOn, dass europäische Hardware nicht tot ist, sondern neu gedacht werden kann.

Im Biotech-Sektor hebt sich Owkin hervor. Das Pariser Unternehmen setzt auf Federated Learning, um mit Universitäten und Krankenhäusern gemeinsam Diagnosen und personalisierte Therapien zu entwickeln – und das bei voller Datensouveränität. KI mit weißem Kittel und DSGVO-Zertifikat.

Die britische Firma Seldon liefert MLOps-Werkzeuge für den Enterprise-Einsatz – cloud-agnostisch, flexibel und mit starken Partnern wie IBM und Google. Seldon ist die unsichtbare Hand, die moderne KI-Anwendungen auf Kurs hält – ohne die Bühne zu suchen.

Yorizon setzt auf einen nachhaltig betriebenen KI-Cloudstack mit ISO-50001-zertifizierten Rechenzentren und erneuerbaren Energien – perfekt für Unternehmen mit ESG-Zielen und einem Gewissen.

Und dann wäre da noch Regolo.AI – eine italienische Plattform, die nicht nur europäisch denkt, sondern europäisch funktioniert. Entwickelt von Ingenieuren, die genug hatten von der Cloud-Hegemonie der USA, bietet Regolo eine datensouveräne, nachhaltige und transparente Alternative zur KI-Inferenz von Amazon bis Azure.

Die Plattform arbeitet ausschließlich mit erneuerbaren Energien und bietet Entwicklern Tools zur Optimierung des Energieverbrauchs. Das Pricing-Modell ist bewusst klar: Token/WATT – das heißt: Bezahlt wird nicht für Magie, sondern für verbrauchte Energie. Planbar, nachvollziehbar und ökologisch.

Sesterce bringt schließlich dedizierte Inferenzendpunkte und smartes Routing ins Spiel – mit einer großen Auswahl an GPUs und konkurrenzfähigen Preisen. Die Zielgruppe: Entwickler und Unternehmen, die flexible und skalierbare Lösungen suchen – ohne in Abhängigkeit zu geraten.

Europa steht damit an einer Weggabelung: Weiter dem Silicon Valley hinterherlaufen – oder eine eigene, unabhängige digitale Route einschlagen. Die hier genannten Initiativen zeigen: Der europäische KI-Motor läuft, auch wenn er gelegentlich noch stottert.